Palmen überall: Wo früher Regenwald war, wurden Plantagten angelegt.BIDCO! Dieses Wort ist hier immer wieder zu hören. Bidco. So heißt der Konzern, der zusammen mit der Regierung von Uganda in großem Stil Palmöl produzieren möchte. Dazu hat sich das Unternehmen, dessen Hauptsitz in Kenia liegt, mit einem wahren Giganten zusammengetan: Wilmar, einem der größten
Agrarkonzerne Asiens und in Ländern wie Indonesien und Malaysia ein führender Hersteller von Palmöl. Dieses weltweit gefragte Produkt soll nun auch in Ostafrika entstehen, um die Nachfrage nach Ölen für Bratfett, Shampoos oder auch Biodiesel zu erfüllen. Nicht zuletzt soll es den Menschen in Uganda selbst Gutes bringen: billigeres Speiseöl zum Kochen, dazu Arbeitsplätze beim Anbau und in der Produktion. Und Wirtschaftswachstum.
„Aber die genauen Abmachungen kennen wir nicht, das ist alles geheim. Die Öffentlichkeit soll davon nichts erfahren“, sagt John Baptist Lule, Priester und Leiter der Caritas in der Diözese Lugazi. Doch jeder, der möchte, kann sehen und hören, was die Menschen vor Ort erlebt haben. Wie Rose Nanteza. Sie lebt auf der Insel Buvuma, im Victoriasee, der die Länder Uganda, Kenia und Tansania verbindet. „Wir waren früher auf der anderen Seite der Insel“, sagt Rose, als sie aus ihrem neu gebauten Haus aus Lehmziegeln heraustritt. „Doch wir mussten weggehen, weil Bidco kam.“
Programm der Diözese unterstützt alleinerziehende Frauen
Rose Nanteza: "Wir mussten umsiedeln und fangen gerade wieder von Neuem an."Die Firmenvertreter boten den Familien ein einfaches Geschäft: Gebt uns euer Land, und dafür zahlen wir euch Geld. Ihr Mann willigte ein, Rose wurde nicht gefragt. „Dann hat er das Geld genommen und mich verlassen.“ Sie blieb mit den Kindern zurück. „Jetzt versuche ich hier, ein neues Leben anzufangen.“ Sie profitiert von einem Programm der Diözese Lugazi, das sich gezielt an Frauen wie sie richtet. Frauen, die alleine ihre Kinder erziehen. Die kein eigenes Land hatten, und vor dem mächtigen Konzern genauso weichen mussten, wie vor den ungerechten Strukturen in der Gesellschaft, in denen die Männer das Sagen haben. „Sobald es schwierig wird, gehen die Männer weg, und die Frauen bleiben zurück“, sagt Priester John Lule.
Rose Nanteza hat einige Beete angelegt und Bananenpflanzen eingesetzt. Eine harte Arbeit mit den eigenen Händen und einfachen Werkzeugen wie Hacke und Schaufel. Mit größeren Maschinen arbeitet kaum jemand. Als sie die Beete zeigt, atmet sie durch und sagt: „Jetzt warten wir auf den Regen“. Am Himmel zeichnen sich einige Wolken ab. Vom See herauf weht ein leiser Wind. Die Regenzeit scheint ihre ersten Vorboten zu schicken.
Doch der Regen ist eigentlich schon überfällig. „Wir bekommen nur noch kleine Regenschauer, seit die Bäume gefällt wurden“, sagt George Kizito, Mitarbeiter im Team von John Lule. Buvuma war einmal dicht bewaldet. Ein kleines Paradies für Vögel, ein einzigartiges Ökosystem. Doch in den vergangenen Jahren sind fast alle tropischen Bäume abgeholzt worden. Stattdessen ziehen sich nun gleichförmig angelegte Palmenpflanzen über die hügelige Insel. Nicht nur die Wälder mussten weichen, auch die Bewohner.
Dorfgemeinschaft baut Schule in Eigenregie
Schule unterm Grasdach. Die Dorfgemeinschaft hilft sich selbst, denn sie möchte, dass ihre Kinder etwas lernen.Das Dorf Bwaka gibt es erst seit 2010. Damals kamen Frauen aus anderen Ecken der Insel. Sie waren vertrieben worden, mussten sich neu zusammenfinden. Jetzt bilden sie eine Dorf- und Schicksalsgemeinschaft. „Von den Vätern unserer Kinder ist kaum noch einer hier. Sie haben das Geld von Bidco genommen und uns zurückgelassen“, sagen sie, als sie sich vor dem Haus von Phionah Bwayirisa versammeln. Eine Nachbarin sagt: „Wir sind jetzt die Alleinverdiener. Wir arbeiten auf dem Feld und müssen unsere Kinder durchbringen.“ Phionah Bwayirisa zeigt ihr Zuhause. Sie kocht mit Holzkohle oder Brennholz, das sie irgendwo in der Nähe sammeln kann. Eine kleine Solarzelle am Dach liefert Strom – Elektrizität hat auf der Insel nur, wer sich einen Dieselgenerator leisten kann. Ihre größte Sorge, und da stimmen sofort alle Nachbarinnen zu: Wo können wir die Kinder in die Schule schicken? Sie haben sich selbst geholfen. Haben selber eine Schule gebaut, ganz einfach aus Holzpfählen und mit einem Strohdach. Ihr Leiter, Muela Nasiri, ist erst 25 Jahre alt. Die Kinder lernen zählen und wiederholen einige englische Reime, die ihnen die Lehrerin vorspricht.
Phionah Bwayirisa hält einen gelben Kanister in der Hand. „Dort unten ist unsere Wasserstelle“, erklärt sie. „Es ist unsere einzige.“ Dann taucht sie den Kanister in den kleinen Fluss und lässt ihn voll laufen. Sie muss darauf vertrauen, dass das Wasser sauber ist und nicht flussaufwärts irgendein Gift hineingeraten ist. „Wenn es kräftig regnet“, sagt Phionah, „wird der Schlamm oft durch unser ganzes Dorf gespült.“
Rund 20 Jahre hat es gedauert von der ersten Idee bis zum Start des Anbaus der Palmen. In dieser Zeit gab es massive Widerstände in der Bevölkerung, aber jetzt sind die Plantagen da, und sie werden nicht mehr verschwinden. Bei Harriet Naluwooza sind die Palmen bis an ihr Haus herangerückt. Ihr kleines Feld mit Bananenstauden steht direkt neben den Palmen. Als Bidco kam, geriet sie schon zum zweiten Male unfreiwillig in Bedrängnis. Das erste Mal lag ein paar Jahre zurück, als Buvuma noch eine Fischerinsel war. Männer gingen fischen, Frauen verkauften den Fisch, machten die Netze sauber und kochten für alle. Doch der kommerzielle Fischfang im Victoriasee nahm immer weiter zu und ließ die Bestände schrumpfen. Also kamen von der Regierung allerlei Auflagen, die letztlich die großen Fangflotten begünstigt und die kleinen Fischerboote fast verdrängt haben. Einige Fischer wollten sich nicht an die neuen Regeln halten, sie fischten illegal. Eines Tages wurden sie von Sicherheitskräften erwischt. Deren Boote folgten dem ihren, ihr Holzboot kenterte. Einer der Fischer ertrank. Es war Harriets Mann.
Insel droht Verkehrschaos
Schilder der Palmöl-Firma BidcoJetzt hat sie ein anderes Leben begonnen, baut Bananen, Kohl und Maniok an. Bisher mit Erfolg, wie sie sagt: „Ich habe schon einen kleinen Überschuss eingenommen, und so kann ich mir einige Dinge kaufen. Seife, Salz und Zucker zum Beispiel. Ich hoffe, dass ich mir bald ein fes tes Haus bauen kann.“ Wenn die Ölpalmen sie in Ruhe lassen. Demnächst wird dort die erste Ernte erwartet. Ölpalmen wachsen vergleichsweise schnell, schon nach vier bis fünf Jahren tragen sie Früchte, aus denen später das begehrte Öl gewonnen wird.
Um größere Mengen Palmöl aus der Frucht der Ölpalme zu gewinnen, muss man sie industriell verarbeiten. Das heißt: Es braucht eine Fabrik. Die gibt es auf Buvuma aber bisher nicht, sondern nur auf der Insel Kalangala, die näher an der Hauptstadt Kampala liegt. Wie soll das gehen? Die einzige Verbindung zum Festland ist eine Fähre. Sie legt drei Mal pro Tag ab. Größere Transportfahrzeuge haben darauf eigentlich keinen Platz. Höchstwahrscheinlich steht also der Insel ein mittleres Verkehrschaos bevor, wenn sich Lastwagen und Transporter aneinanderreihen und die Ernte aufs Festland schaffen wollen.
Aber im Moment müssen die Frauen von Buvuma solche Fragen sowieso beiseite schieben und andere Probleme lösen – Essen muss auf den Tisch, Kinder sollen in die Schule, und dafür muss man Geld verdienen. Das Team um John Lule jedenfalls will bei den Menschen bleiben, egal was kommt. Sie sagen: „Wir müssen den Frauen eine Stimme geben. Und sichergehen, dass sie beim nächsten Mal nicht aufs Neue betrogen werden.“