DIE GROSSE LEERE trat ein am 28. Januar 2025. An diesem Tag kam die Information aus den USA, dass vorübergehend alle nicht unbedingt lebensnotwendigen
Hilfsmaßnahmen gestoppt seien. Nicht lebensnotwendig
, was heißt das schon? Sind es die Nähkurse für Flüchtlingsfrauen, die damit ein eigenes Handwerk erlernen? Der Kursraum in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, ist leer, die alten Singermaschinen verstauben. Sind es die Sprachkurse in Englisch, mit denen französisch sprechende Flüchtlinge aus dem Kongo und Burundi sich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt versprechen? Die letzten Schüler sind da, dann läuft das Programm aus. Oder sind es die Psychologinnen, die den Frauen dabei helfen, nach schrecklichen Erlebnissen wieder ein neues Leben anzufangen? Beim „Jesuit Refugee Service“ (JRS) in Uganda, dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten, musste 43 Mitarbeitern der Job gekündigt werden. Das Geld aus den USA fehlt.
Flucht aus dem Ostkongo
Constance Kahindo
Zu der Zeit, als Präsident Trump seine Maßnahme verkündete, war Constance Kahindo noch zu Hause in der Demokratischen Republik Kongo. Doch dann brach der Krieg los. Die Rebellengruppe M23, wohl unterstützt vom Nachbarland Ruanda, drang in die Region Kivu vor. Am 30. Januar 2025 war die Stadt Goma erobert.
Constance Kahindo berichtet: Als der Krieg zu uns kam, mussten wir eine Woche lang sehr viel erleiden. Die Rebellen sagten uns: Bleibt in euren Häusern! Wir sind drei Tage im Haus geblieben und haben uns nicht mehr herausgewagt. Überall fielen Schüsse, und Bomben explodierten. Wir wussten, wir müssen uns in Sicherheit bringen. Jetzt sind wir hier in Kampala und suchen nach Hilfe. Wir schlafen in einer Kirche. Wir haben kein Wasser zu trinken, ich habe kein Geld, um etwas zu kaufen. Ich bin mit meiner Tochter hier, und ich habe nichts mehr, was ich ihr geben kann.
Während Constance Kahindo erzählt, schließt sie mehrmals lange die Augen, so als ob sie innerlich wieder zurückkehrt und die schrecklichen Erlebnisse noch einmal an ihr vorbeiziehen. Tränen laufen ihr übers Gesicht. Was sie nicht in Worte fassen kann, erzählt sie auf diese Weise.
Leben im Exil – ein Kampf ums Überleben
Olivier Bakomezi ist Sprecher der kongolesischen Flüchtlingsgemeinde in Kampala, er kümmert sich mit seinem Team um Menschen wie Constance Kahindo. Sie helfen ihnen, sich in der neuen Stadt zurechtzufinden. Doch es werden immer mehr – und das Geld, um zu helfen, wird weniger.
Vom Aufnahmezentrum Nyakabande an der Grenze zwischen Kongo und Uganda geht es für viele weiter in die Hauptstadt Kampala.Der „Jesuit Refugee Service“ (JRS) hat im Sommer 2025 einen Bericht veröffentlicht, in dem er die Situation an der Grenze zwischen Kongo und Uganda beschreibt. Am Grenzübergang bei Kisoro, dem am häufigsten genutzten Grenzübergang im Südwesten von Uganda kommen jeden Tag bis zu 300 Flüchtlinge an, an Markttagen sind es sogar mehr als 600
, heißt es darin.
Besonders besorgniserregend sei das Ausmaß an Gewalt und Missbrauch, dem die Menschen auf ihrer Flucht ausgesetzt sind: Für die meisten Flüchtlinge beginnt ihre Flucht mit einer beschwerlichen Reise, meistens zu Fuß. Die wenigen, die Glück haben, können einen Bus nehmen. Der Weg ist gefährlich, und die Menschen sind bedroht von Übergriffen, Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch, bevor sie über die Grenze in Sicherheit gelangen
, ist weiter zu lesen. Unter den Neuankömmlingen seien durchschnittlich bis zu 100 minderjährige Kinder, die ohne ihre Eltern geflohen und deshalb auf sich allein gestellt seien.
Die humanitäre Krise verschärft sich
Louise Yumwema-Shangoko: "Vielleicht wache ich morgen gar nicht mehr auf." Yumwema-Shangoko berichtet: Ich bin diesen Monat nach Kampala gekommen. Ich weiß nicht, wo meine Familie ist. Ich bin ganz alleine hier. Wir haben unser Land verlassen, überall war Feuer. Ich weiß gerade nicht mehr, wo ich eigentlich bin. Heute an diesem Ort, am nächsten Tag an einem anderen. Vielleicht wache ich morgen gar nicht mehr auf. Ich habe ehrlich gesagt schon daran gedacht, mir einfach das Leben zu nehmen.
Im Juni 2025 ließ sich US-Präsident Donald Trump feiern, da seine Diplomaten ein Abkommen ausgehandelt hatten zwischen den Regierungen von Ruanda und dem Kongo. Der Frieden sei nah, hieß es. Wenig später folgte eine ähnliche Übereinkunft zwischen der kongolesischen Regierung und den M23-Rebellen. Diesen Vertrag hatte maßgeblich das Emirat Katar vermittelt. Kein Wunder, dass sich die arabischen Scheichs hier einbrachten, denn Katar wird zu denjenigen Ländern gezählt, die in großem Maße von den Rohstoffen aus der Region Ostkongo profitieren. Die Erträge der Goldminen werden über Ruanda in das Emirat abgewickelt. Auch die ruandische Fluglinie Rwanda Air ist in katarischem Besitz. Gibt es jetzt also Frieden?
Augenzeugen aus dem Kongo sagen etwas anderes. Nur einige Beispiele von vielen: Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ berichtet, dass die von Ruanda kontrollierte Rebellengruppe M23 im Juli 2025 insgesamt mehr als 140 Zivilisten in mindestens 14 Dörfern und Landstrichen nahe des Virunga-Nationalparks getötet hat.
Unter den Todesopfern waren vor allem Frauen und Kinder, die in ihren Dörfern und auf ihren Feldern angegriffen wurden, so die Organisation, die sich auf glaubwürdige Quellen vor Ort stützt. Ähnlich gewalttätig geht die Gegenseite vor.
Warum der Frieden im Kongo scheitert
Die Miliz „Wazalendo“, die lange mit der kongolesischen Regierung verbündet war, geht immer wieder gegen die Minderheit der Banyamulenge vor, denen man vorwirft, dass sie die M23-Rebellen unterstützen würden. Und auch die katholische Kirche im Land bleibt nicht verschont. Priester aus der Diözese Bunia wandten sich im August mit einem verzweifelten Appell an die Öffentlichkeit. Es gebe auch islamistische Rebellen, und diese hätten eine Pfarrei im Ort Komanda angegriffen, 50 Menschen getötet und 40 Jugendliche entführt.
Esther Lwamba: "Auf der Flucht habe ich eines meiner vier Kinder verloren."Am schlimmsten sei, dass die Ordnungskräfte zusammen mit den Milizionären Morde begehen, illegale Straßensperren errichten. Willkürliche Verhaftungen vornehmen, sogar von Minderjährigen, und das Eigentum unschuldiger Bürger plündern. Donald Trump hat seine Maßnahmen bisher nicht zurückgenommen. Und auch in anderen Ländern, nicht zuletzt auch in Deutschland, werden die Budgets für Entwicklungshilfe streng gekürzt.
Esther Lwamba berichtet: Wir sind so viele, die Hilfe brauchen! Ich schlafe in einer Kirche. Eine Frau hat mich dort aufgenommen. Ich habe vier Kinder, drei sind hier bei mir. Das vierte habe ich auf der Flucht aus den Augen verloren. Vielleicht werde ich mein Kind nie wiedersehen. Wir können Gott nur dafür danken, dass wir noch am Leben sind. Ich möchte meine Kinder wieder in die Schule schicken. Bitte haben Sie Mitleid. Bitte denken Sie an uns!