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"Christen im Nahen Osten leisten Enormes"


30. August 2023
Im Weltmissionsmonat Oktober steht in diesem Jahr der Nahe Osten im Mittelpunkt. Wo einst das Urchristentum beheimatet war, nimmt die Zahl der Christen stetig ab. missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber erklärt im Interview, wieso die Wahl auf diese Region gefallen ist und was ihn besonders beeindruckt an den Christen, die dort bleiben.
© Friedrich Stark/missio München
missio-Präsident Msgr. Huber mit Ibrahim Sidrak, Oberhaupt der koptisch katholischen Kirche

missio München nimmt in diesem Jahr in der Kampagne zum Monat der Weltmission den Nahen Osten in den Blick. Wie steht es um die Christen dort?

Die aktuelle Lage der Christinnen und Christen in Syrien, Ägypten und dem Libanon, den drei Ländern, die wir im Monat der Weltmission in den Mittelpunkt stellen, ist mehr als bedenklich: In Syrien, wo es seit dem Urchristentum lebendige einheimische Gemeinden gegeben hat, sind heute weniger als fünf Prozent der Bevölkerung Christen. Die ägyptischen Kirchen gehören zu den ältesten der Welt. Für die christliche Minderheit dort hat sich die Lage verbessert, aber dennoch verlassen viele das Land. Und aus dem Libanon, der eine tiefgreifende Krise erlebt, wandern massenhaft Christen ab. Jedoch leisten diejenigen, die noch vor Ort sind und sich den Schwierigkeiten entgegenstellen, Enormes. Und genau das wollen wir zeigen.

Wie kann die Kirche in einem Land wie Syrien, dessen Machthaber nach Jahren des Krieges nicht weichen will und das von Wirtschaftssanktionen der westlichen Welt gelähmt ist, überhaupt bei den Menschen sein?

Was Menschen in und durch kirchliche Strukturen dort leisten, ist zuletzt bei dem entsetzlichen Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet im Februar deutlich geworden: Unsere Projektpartner haben Kirchen und Schulen geöffnet und Schutzsuchende aufgenommen, haben Verpflegung, Decken, Medikamente organisiert. Ich bin immer noch tief dankbar für die enorme Unterstützung seitens unserer Spenderinnen und Spender, die dies möglich gemacht haben. Aber auch abseits solcher Katastrophen ist der Einsatz unserer Partner unabdingbar: In Damaskus, Aleppo und Kafrou setzen sich beispielsweise die Salesianer Don Bosco für die verlorene Generation ein – die oft kriegstraumatisierten Jugendlichen. Da geht es um Nachhilfe, Freizeitgestaltung, aber auch einfach einen ruhigen Raum, in dem es Strom und Internet gibt. Das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit.

Gemeinsam mit anderen Organisationen beteiligt sich missio München mit Blick auf den Libanon an der Aktion „Vergessene Krisen“ unter Schirmherrschaft des Auswärtigen Amtes. Worum geht es Ihnen dabei?

Papst Franziskus hat im Zusammenhang mit dem Libanon von einer „beispiellosen Krise“ gesprochen. Das Land befindet sich im Niedergang: Etwa 70 Prozent der Libanesen leben unter der Armutsgrenze, die Währung ist drastisch gefallen, der Staat kann wesentliche Funktionen nicht mehr ausfüllen. Wir beteiligen uns an der Aktion „Vergessene Krisen“ des Auswärtigen Amtes, weil wir es wichtig finden, darauf aufmerksam zu machen, dass unsere Solidarität auch denen gehört, auf die gerade keine Fernsehkameras gerichtet sind. Das ist ja eine der Stärken der kirchlichen Strukturen vor Ort: Unsere Projektpartner sind Teil der Gesellschaft und eben nicht Helfer, die im Fall einer Krise oder Katastrophe erst einfliegen. Da ist der unmittelbare pastorale Einsatz immer wieder gefordert und wir als päpstliches Missionswerk sind präsent.

Was ist die konkrete Hilfe, die missio München für die Menschen im Libanon leistet?

Unsere Projektpartner kämpfen zum Beispiel gegen die Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und bieten ein Schutzhaus für Frauen, die seitens ihrer Arbeitgeber Gewalt erlebt haben. Ein anderes Beispiel: Wir unterstützen den Fernsehsender Sat-7, der mit seinem Programm für soziale Missstände und Ungerechtigkeiten sensibilisiert, nicht nur im Libanon, sondern in mehreren arabischsprachigen Ländern. Hier geschieht auf moderne Weise pastorales Handeln.

Das bevölkerungsreiche Ägypten spielt eine Schlüsselrolle im Nahen Osten. Wie steht es um die christliche Minderheit dort?

Die Herrschaft der Muslimbrüder ist vorbei und die Lage der christlichen Minderheit hat sich deutlich verbessert. Dennoch ist das Land autoritär regiert und wer sich öffentlich anders äußert als gewünscht, muss mit Sanktionen rechnen. Die ägyptischen Gefängnisse sind voll mit politischen Gefangenen. Unsere Projektpartner leisten unter anderem Gefängnisseelsorge, um den Menschen beizustehen und Hoffnung zu schenken. Die Stärkung von Frauen ist ein weiterer Schwerpunkt. Wir sind überzeugt, dass sich die Gesellschaft dadurch zum Besseren wandeln kann.

Das biblische Leitmotiv der diesjährigen Aktion zum Monat der Weltmission heißt: „Ihr seid das Salz der Erde“ (Mt 5,13). Was bedeutet das für Sie?

Ich verstehe dieses Bibelwort als Ermutigung und keinesfalls als Feststellung des Status Quo. Es gilt ganz besonders für Christinnen und Christen im Nahen Osten, die sich unter schwierigen Bedingungen zu ihrem Glauben bekennen und aus der Kraft des Glaubens heraus für ihre Mitmenschen einstehen. Ebenso sind wir hier in Deutschland angesprochen: Traut euch etwas zu! Seid mutig! Seid das Salz der Erde!“

ZUR PERSON: Wolfgang Huber, geb. 1962, ist Domkapitular in München. Seit 2014 ist er Präsident des Internationalen Katholischen Missionswerkes missio München. Er hat die Länder des Nahen Ostens vielfach bereist.

INTERVIEW: Barbara Brustlein

Mehr zu den Gästen und dem Programm des Weltmissionsmonats Oktober finden Sie unter: https://www.weltmissionsmonat.de >> 

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