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Blickwechsel: Im Dienst an den Menschen


23. September 2021
Priester sind Seelsorger und noch viel mehr. Gerade in Afrika und Asien sind sie gleichzeitig Sozialarbeiter, Krankenpfleger und Erzieher, Dorfentwickler und Nothelfer. In Ländern des globalen Südens ist die Berufung oft mit großen persönlichen Entbehrungen verbunden. In Deutschland gibt es andere Herausforderungen. Über den Dienst am Menschen – in Bayern und in der Casamance, einer entlegenen Region des Senegal. Und darüber, wie Solidarität über die Aktion PRIM gelebt wird.

Paul Terhemba Igbo, Priester aus Nigeria im Bistum AugsburgZWEI RUNDE Geburtstage stehen heute noch an. Das heißt für Pfarrer Paul Igbo: ein geselliges Weißwurstfrühstück, selbstverständlich mit einem Weißbier, später Kaffee und Kuchen. Aber noch viel mehr bedeutet es für ihn, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Gerade mit denjenigen, die er sonntags selten oder nie in seiner Kirche begrüßen kann. Pfarrer Igbo schätzt diese Momente, denn auch im oberbayerischen Donaumoos erfährt die Beziehung zwischen seinen Bewohnern und der Kirche Veränderungen.

Rund 5500 Katholiken betreut Pfarrer Igbo in der Pfarreiengemeinschaft Karlshud-Weichering-Lichtenau im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Viele Kinder kennen den 43-Jährigen als Religionslehrer – ab und zu mit der Trommel im Gepäck. Auch in den politischen Gemeinden und bei den Vereinen ist er geschätzter Gast. Gerne würde er in einem Verein spielen und singen – „aber ich kann ja nicht in alle gleichzeitig eintreten“, sagt er und lacht.

Sechs Monate nach der Priesterweihe Koffer gepackt

Dass er als Ordensmann aus Nigeria gut zu den Leuten im Donaumoos passt, das war für ihn sofort klar, als er 2015 hierher kam: „Die Erde hier ist durch den Torf schwarz – dazu ein schwarzer Pfarrer, das geht in Ordnung“, sagt Paul Igbo mit trockenem Humor. In Deutschland angekommen war er schon weitaus früher: Sechs Monate nach seiner Priesterweihe hatte er, gerade 30, die Koffer gepackt und als junger Spiritaner in der Nähe von Aachen seine Arbeit aufgenommen. Schnell lernte er Deutsch, machte seinen Führerschein – und vertrat nach drei Monaten zum ersten Mal einen älteren Mitbruder. Drei Jahre später war es Zeit für einen Wechsel: Paul Igbo übernahm im Bistum Augsburg als Priester neue seelsorgerische Aufgaben.

Einmal, erinnert sich Igbo an seine Anfangszeit, stand ein Termin an. Am Steuer des Autos der Ministrant, er auf dem Beifahrersitz. Nach der Ankunft schloss Igbo die Augen und dankte Gott für die heile Ankunft. Der Ministrant neben ihm war irritiert: Herr Pfarrer, bin ich so schlecht gefahren? Igbo muss heute noch herzlich über diese Geschichte lachen: „In Nigeria sind die Straßen oft schlecht. Wir haben keinen TÜV. Wir beten vor jeder Abfahrt und danken nach geglückter Reise.“

Auch für seine Lebensreise ist Pfarrer Igbo dankbar. Dass er heute Dienst an den Menschen tut, daran hatte die Kirche früh ihren Anteil. „Ich komme aus einer ländlichen Gegend. Wir waren neun Kinder. Es war ein absoluter Glücksfall, dass der Orden der De La Salle Brüder dort eine gute Schule unterhielt.“

Engagiert bei der Aktion PRIM

Auf die erste Seite seiner Abiturprüfung schrieb Paul Igbo nach Jesaja: „Hier bin ich, sende mich“. Mit besten Noten in der Tasche stand für den jungen Mann fest: „Ich habe mit Gott einen Vertrag gemacht.“ Diesen füllt Paul Igbo als Priester in Deutschland bis heute mit Leben – dabei fällt ihm besonders als einer der Sprecher der Aktion PRIM auf, wie unterschiedlich die Voraussetzungen dafür sind. „In Afrika ist vieles nicht selbstverständlich“, betont er. „Ein Priester bekommt kein Gehalt. Für Kleider und Hygieneartikel, für Strom oder Benzin, um mit seinem Fahrzeug zu den Menschen zu kommen, muss er selbst aufkommen.“

Weil er das weiß, unterstützt Pfarrer Igbo einige Priester in Nigeria. Und über missio und einen Förderverein eine Schule in seiner Heimat, die den Kindern die Chance auf eine gute Zukunft geben soll. In die Schuluniform sind Elemente der bayerischen Tracht eingearbeitet.

TEXT: KRISTINA BALBACH


09 2021 blickwechsel colyFulgence Coly, Priester aus Senegal in der CasamanceSO SEHR der Senegal in Westafrika zu den Hoffnungsträgern zählt im Blick auf Demokratie, Entwicklung und Zusammenhalt der Gesellschaft – mit der Casamance gibt es ein langjähriges Krisengebiet, das in großen Schwierigkeiten steckt. „Das soziale Gefüge bei uns ist fast völlig zerstört“, sagt Abbé Fulgence Coly. Er ist katholischer Priester und betreut eine Pfarrei nahe der Stadt Ziguinchor. Außerdem ist er Direktor der Caritas seiner Diözese. Woher kommen die Probleme in der Region?

Viele Dörfer sind verwaist

Die Menschen in der Casamance fühlen sich seit langem von der Zentralregierung in Dakar benachteiligt. Seit Anfang der 1980er-Jahre kämpft eine bewaffnete Rebellenbewegung für die Unabhängigkeit. Der bewaffnete Kampf zwischen Regierung und Rebellen hat die einfachen Menschen in große Gefahr gebracht.

„Ihr einziger Ausweg war oft die Flucht“, sagt Abbé Fulgence Coly. Manche flohen bis nach Dakar oder sogar nach Europa. Die meisten gingen in Nachbarländer wie Gambia und Guinea-Bissau. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt, der Frieden scheint stabil. Die Menschen wagen die Rückkehr. Doch viele Dörfer sind seit Jahren verwaist, die Häuser verfallen, die Brunnen ausgetrocknet, die Felder zugewachsen.

Kirche hat wichtige Vermittlerrolle

„Die Rückkehrer müssen bei Null anfangen“, sagt Fulgence Coly. Die Kirche hilft ihnen beim Wiederaufbau von Wohnhäusern, Brunnen und Toiletten. Es gibt Programme für Bewässerung und nachhaltige Landwirtschaft. Und die Kirche hat eine wichtige Vermittlerrolle bei Konflikten – zum Beispiel, wenn Rückkehrer ihre Felder beanspruchen, auf denen sich inzwischen andere Familien angesiedelt haben. Da ist es wichtig, allen Seiten zuzuhören und Kompromisse auszuhandeln. So sind Priester in vielen Ländern Afrikas weit mehr als Seelsorger – sie sind zugleich Sozialarbeiter und Friedensstifter, manchmal Krankenpfleger und Nothelfer.

Solidarität über Ländergrenzen hinweg

Für Abbé Fulgence Coly gilt vor allem ein Grundgedanke: Solidarität, auch über Ländergrenzen hinweg. Lange Zeit war er in Burkina Faso für die Stiftung tätig, die Papst Johannes Paul II. zugunsten der Sahel-Zone gegründet hatte. Wichtig ist ihm aber auch die Verbindung nach Europa. Über die Aktion PRIM betreut Coly Projekte zugunsten seiner Priesterkollegen in der Diözese Ziguinchor.

Zum Beispiel ein Zentrum für Ruhestandsgeistliche. Nach einem Leben im Priesterdienst fehlt vielen Seelsorgern im Alter oft die Absicherung. „Manche werden von ihren Verwandten aufgenommen“, sagt Abbé Coly. Sie verbringen den Lebensabend wieder im Heimatdorf. Im Ruhestandsheim leben sie in Gemeinschaft und werden, wenn nötig, ärztlich versorgt. Die Solidarität wirkt aber auch in die andere Richtung: Denn in Zeiten des Priestermangels kommen viele senegalesische Priester nach Europa und unterstützen die Kirche (und die Menschen) hierzulande.

TEXT: CHRISTIAN SELBHERR

Aktion PRIM: 50 Jahre solidarisch
Über die Aktion PRIM (Priester helfen einander in der Mission) unterstützen Priester in Deutschland seit 50 Jahren bedürftige Mitbrüder in den Ländern des globalen Südens durch einen freiwilligen Beitrag aus ihrem Gehalt. Getragen wird die Solidaritätsaktion von der Arbeitsgemeinschaft der Priesterräte in Deutschland und missio. Jedes Jahr können dank dieser Spenden knapp 8.000 Priester weltweit unterstützt werden.

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